►Eine Übersicht zu Erkenntnissen aus der Forschung im Nationalpark gibt es hier
Der Erhalt der Natur und die Beobachtung der Naturentwicklung sind zentrale Aufgaben des Schweizerischen Nationalparks (SNP). Artikel 1 des Nationalparkgesetzes fasst dies folgendermassen zusammen:
Der Schweizerische Nationalpark im Engadin und Münstertal im Kanton Graubünden ist ein Reservat, in dem die Natur vor allen menschlichen Eingriffen geschützt und namentlich die gesamte Tier- und Pflanzenwelt ihrer natürlichen Entwicklung überlassen wird. Es sind nur Eingriffe gestattet, die unmittelbar der Erhaltung des Parks dienen.
Die Vielfalt des Lebens und der Lebensräume kann sich seit über 100 Jahren ohne menschliche Eingriffe frei entwickeln. Dank der wissenschaftlichen Forschung verfügen wir über langjährige Datenreihen, welche die Biodiversität und deren Entwicklung dokumentieren.
Artenvielfalt begrenzt durch Höhenlage
Der SNP liegt zu einem erheblichen Teil in einer Hochgebirgsregion. Da die Artenvielfalt mit zunehmender Höhe grundsätzlich abnimmt, weist er bei den Artenzahlen auch keine Höchstwerte aus. Auch wenn sich gerade im Gebirge verschiedene, an das raue Klima angepasste Spezialisten ansiedeln, so sind dies insgesamt vergleichsweise wenige Arten. Gerade bei der Anzahl Nadelbaumarten ist die Vielfalt im SNP mit 5 Arten relativ gering.
Ganz anders sieht es jedoch bei der Vielfalt an Tagfaltern aus: hier sind im SNP 108 Arten nachgewiesen worden. Dies entspricht mehr als der Hälfte aller in der Schweiz vorkommenden Arten (schweizweit 201 Arten) und rund einem Viertel der in Europa bekannten Arten (441 Arten). Die Artenzahl ist in der Val Trupchun am höchsten. Unter den Tagfaltern des SNP befinden sich auch einige sehr seltene Spezies. Der Alpen-Mohrenfalter Erebia Styx kommt nur in einem beschränkten Gebiet am Ofenpass und im Südtessin vor. Der SNP übernimmt hier eine besondere Verantwortung für dessen Erhaltung.
Hohe Vielfalt an Lebensräumen und Beziehungsnetzen
Betrachtet man die Vielfalt der Lebensräume vom Tal bis zu den höchsten Gipfeln und deren natürliche Beziehungsnetze, ist die Natur im SNP enorm vielfältig.
Zusätzlich trägt der hohe Schutzstatus zu einer einmaligen Entwicklung der Ökosystemvielfalt bei. Wer durch die Wälder des SNP streift, bemerkt beispielsweise die vielen toten Bäume, die teilweise am Boden liegen, oft aber auch noch jahrzehntelang aufrecht stehen. Dieses Totholz und die vielseitigen Strukturen der Wälder fördern die Biodiversität. Tote Bäume bieten Lebensraum für unzählige Arten. Der Buntspecht frisst die Insekten im Totholz und baut seine Höhlen darin. Spechthöhlen wiederum dienen anderen Vogelarten oder Kleinsäugern als Nistplatz oder Versteck. Unzählige Wirbellose, Pilze und Bakterien zersetzen das Holz und stehen damit am Anfang von vielen Nahrungsketten.
Weltweit verfügen Bergregionen, die in Natur- und Kulturlandschaften gegliedert sind, über ein hohes Mass an Biodiversität.
Verlust der Vielfalt
Im Nationalpark ist bis auf wenige Ausnahmen noch kein Artenverlust spürbar – im Gegenteil. Es leben heute aufgrund des Klimawandels mehr wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten im SNP als noch vor 100 Jahren. Zudem sind heute zeitweise wieder Arten wie Bär, Wolf, Fischotter oder Bartgeier präsent, die in früheren Jahrhunderten ausgerottet wurden. Neophyten, die einheimische Arten konkurrenzieren, fehlen glücklicherweise bis anhin. Es ist jedoch erwiesen, dass der Klimawandel vor allem im Hochgebirge dazu führt, dass kälteliebende Pflanzen- und Tierarten zunehmend unter Lebensraumverlust leiden. Hochgebirgsarten wie der Alpenschneehase oder das Alpenschneehuhn können irgendwann nicht mehr in höhere Lagen ausweichen und sterben aus.