Mit Weiden im Schweizerischen Nationalpark auf den Spuren ökologischer Systeme

Von Flurin Filli

Der Schweizerische Nationalpark soll Gegenstand dauernder wissenschaftlicher Forschung sein, so der Wille der Parkgründer vor fast 100 Jahren. Schon früh wurde eine Wissenschaftliche Kommission für die Erforschung des Parks ins Leben gerufen. Ihr Ziel war es, die Artenvielfalt zu erfassen und deren Veränderungen zu dokumentieren. Dafür richtete der bekannte Bündner Botaniker Josias Braun-Blanquet auf Weiden natürliche Dauerbeobachtungsflächen ein. Diese wurden in der Folge regelmässig studiert. Sie geben einen einmaligen Einblick in die natürliche Abfolge von Pflanzengemeinschaften.

Entgegen den Erwartungen der Forscher der ersten Stunde wuchsen die Weiden nicht innert weniger Jahre ein, sondern blieben interessanterweise und glücklicherweise erhalten. Von Ökosystemen, vernetzten Lebensräumen und deren Veränderungen durch den Klimawandel ist heute viel die Rede. Doch wie ein Ökosystem funktioniert und wodurch es beeinflusst wird, darüber herrscht noch Unklarheit in vielen Aspekten. Die Weiden im Schweizerischen Nationalpark sind ein gutes Beispiel für aktuelle Ökosystemforschung. Sie zeigt, dass der Rothirsch ein wichtiger Faktor in diesem speziellen Ökosystem ist. Durch die Beweidung beeinflusst er die Stoffkreisläufe und somit auch die Pflanzengemeinschaften. Die nährstoffreichen Äsungsflächen ähneln einem Golfplatz.

Hier investieren die Pflanzen mehr in unterirdisches Wachstum. Auf den für die Hirsche weniger interessanten Flächen finden sich dagegen die Murmeltiere ein. Wie es scheint, beeinflussen sowohl Rothirsche wie Murmeltiere das Vorkommen der Mäuse, die ihrerseits wieder eine Nahrungsgrundlage für Füchse und Greifvögel sind.
Diese Beziehungsgefüge und seine Abhängigkeiten sind das Thema eines vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Forschungsprojekts, das dieses Jahr im Nationalpark in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft angelaufen ist. Es soll zeigen, welche Tiere welche Wirkung aufeinander und auf die Pflanzenwelt ausüben.
Zusammen mit den früheren Beobachtungen hoffen die Forscher, die Folgen einer Veränderung des Klimas abschätzen oder sogar für die weitere Zukunft vorhersagen zu können.

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