Abbildung: Typische hochalpine Arten wie beispielsweise der Bayerische Enzian (Gentiana bavarica) sind auf einigen Gipfeln der Alpen bereits nicht mehr zu finden.
Die höchsten Berggipfel sind die Territorien von hochspezialisierten Pflanzenarten. Der Klimawandel bedroht diese Kältespezialisten besonders stark. Ihr Lebensraum wird immer kleiner. Gleichzeitig werden sie von Arten verdrängt, deren Verbreitungsgebiet sich in höhere Lagen verschiebt, denn diese Arten sind oft grösser und konkurrenzstärker. Zu diesen einwandernden «Allerweltsarten» gehören beispielsweise Alpenrispengras (Poa alpina) oder Löwenzahn (Taraxacum alpinum aggr.).
Insgesamt ist die Anzahl der Arten auf den Berggipfeln in den letzten Jahrzehnten allerdings gestiegen. Auf dem Piz Linard, einem Gipfel in der Nationalparkregion (nahe Zernez), hat Oswald Heer bei der offiziellen Erstbegehung 1835 genau eine Art festgestellt, nämlich das Alpenmansschild (Androsace alpina). Bis heute ist diese Zahl auf mittlerweile 16 Arten angestiegen. Daten aus ganz Europa zeigen zudem, dass der Anstieg des Pflanzenreichtums auf alpinen Gipfeln zunehmend schneller wird und dass diese Beschleunigung mit dem Klimawandel zusammenhängt.
Je nach Region zeigen sich jedoch Unterschiede. Im Schweizerischen Nationalpark hat die Artenzahl auf den untersuchten Berggipfeln im Vergleich zu den Erstaufnahmen vor über 100 Jahren durchschnittlich um 44 Prozent zugenommen. Dieser Trend gilt für Mittel- und Nordeuropa und hängt vorallem mit dem Höhersteigen subalpiner und alpiner Arten zusammen. In anderen Gipfelregionen hingegen, beispielsweise im südlichen Mittelmeergebiet, nimmt die Artenzahl ab, da die Pflanzen dort vorallem unter der zunehmenden Trockenheit leiden. Längerfristig muss damit gerechnet werden, dass wir einen Verlust von Kältespezialisten haben werden und die Gipfel in Bezug auf die Pflanzen immer ähnlicher werden.
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Literatur:
Wipf, S., C. Rixen & V. Stöckli (2013): Veränderung der Gipfelfloren. In: Cratschla 2/2013: 12-13
Wipf, S. (2016): Ergebnisse Gloria SNP 2015. In: Cratschla 1/2016: 12-13