Ein Beitrag von Andrea Millhäusler & Hans Lozza
Schweizerischer Nationalpark

10. Februar 2020

Die Vielfalt der Grosspilze (Pilze, die gut von Auge sichtbar sind) ist im Schweizerischen Nationalpark und seiner Umgebung mannigfaltig. Dies gilt insbesondere auch für das Gebiet oberhalb der Waldgrenze (alpine Zone). Als erster Pilzforscher überhaupt hat Jules Favre in den Jahren 1941 bis 1957 in dieser Höhenlage Untersuchungen gemacht. Insgesamt dokumentierte er über 200 verschiedene Pilzarten in der alpinen Zone und hat mit seinen Untersuchungen im SNP und Umgebung Pionierarbeit geleistet.

Titelbild:
Diesem Risspilz aus der Region des Nationalparks gab Jules Favre den Namen (Inocybe egenula), da er ihn als erster Pilzforscher gefunden und beschrieben hat. (Foto: Beatrice Senn-Irlet)

Als Jules Favre, Konservator am Naturhistorisches Museum der Stadt Genf, in den Jahren 1941 bis 1957 die Pilzflora des Nationalparks und seiner Umgebung erforschte, ahnte er noch nicht, dass die Vielfalt der Grosspilze so mannigfaltig ist. Favre dokumentierte über 200 verschiedene Pilzarten in der alpinen Zone, wobei er auch Fundort, Höhe über Meer, Geologie und dazugehörende Pflanzen notierte.

Obwohl von Auge nur die Fruchtkörper sichtbar sind, spielen Grosspilze eine wichtige Rolle in den alpinen Ökosystemen. Viele von ihnen leben in Symbiose mit den Wurzeln der Silberwurz und den alpinen Zwergweiden. Diese sogenannten Mykorrhizapilze umhüllen mit ihren Pilzfäden die Wurzeln und versorgen die Pflanzen mit Nährstoffen. Ein anderer grosser Teil der alpinen Pilze ist beim Abbau der anfallenden Pflanzenstreue beteiligt und hilft so, den Nährstoffkreislauf zu schliessen.

Eine detaillierte Analyse von Favres Arbeiten im Jahr 2017 zeigt, dass Favre in den Jahren 1941 bis 1953 insgesamt 66 Exkursionen in die alpine Zone unternahm, und dass er dabei 26 Lokalitäten aufsuchte. Am häufigsten besuchte er die Gebiete in der Nähe des Ofenpasses (Murtaröl, Val dal Botsch, Munt la Schera) und bei S-charl (Val Sesvenna, Val S-charl). Von den insgesamt 204 aufgelisteten Pilzarten waren 46 Arten unbekannt, welche er dann neu beschrieb und ihnen einen Namen verlieh. Die häufigsten Pilze, welche er auflistete, gehörten zu den Risspilzen und zu den Schleierlingen, beides Gattungen, welche zu den Mykorrhizapilzen zählen, sowie die Rötlinge, die zu den streuabbauenden Pilze zählen. Alle drei Gattungen sind sehr artenreich und häufig in alpinen Regionen zu finden.
Favres Aufzeichnungen zeigen auch, dass die Silberwurz auf kalkreichen Standorten die grösste Diversität an Mykorrhizapilzen aufweist, gefolgt von der Krautweide auf saurem Untergrund. Ebenso ist die Vielfalt der streuabbauenden Pilze der Silberwurz sehr gross, da deren Laub lederig ist und sich eine spezifische Gruppe von Pilzen auf deren Abbau spezialisiert hat.

Wie sich die Diversität der alpinen Pilze im gegenwärtig stattfindenden Klimawandel ändern wird, bleibt zu untersuchen. Da sich viele dieser Pilze in Abhängigkeit zu bestimmten Pflanzen befinden, ist es absehbar, dass, wenn sich die Gemeinschaft der  Pflanzen verändert, sich auch die Gemeinschaft der Pilze verändern wird.

Literatur: 

  • Brunner, I., B. Frey, M. Hartmann, S. Zimmermann, F. Graf, L.M. Suz, T. Niskanen, M.I. Bidartondo & B. Senn-Irlet (2017): Ecology of alpine macrofungi – combining historical with recent data. Frontiers in Microbiology 8, 2066. https://doi.org/10.3389/fmicb.2017.02066
  • Roth, J.-J. (2017): Jules Favre (1882-1959). In: Bauer, B., J. Rohner & T. Scheurer (Red.): Erinnerungen an Pioniere des Schweizerischen Nationalparks. Nat.park-Forsch. Schweiz 107. Bern: Haupt Verlag: 27-34.

 

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