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Wir werden immer wieder gefragt, welche Auswirkungen der Klimawandel auf den Schweizerischen Nationalpark habe. Die nachstehende Liste umfasst zahlreiche Indizien, die wir zusammen mit der Forschungskommission aus verschiedenen Forschungsprojekten in unterschiedlichsten Disziplinen zusammengetragen haben. Sie hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber, dass die Auswirkungen breit gestreut und unübersehbar sind.

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Ausgewählte Erkenntnisse

Die Klimastation Buffalora (1968 m ü.M.) zeigt von 1917–2022 einen Anstieg der Durchschnittstemperatur um 1.92 °C, wobei der grösste Anstieg im Frühling zu verzeichnen ist, der geringste im Herbst. Sämtliche Jahre seit 1985 waren wärmer als der Durchschnitt der letzten 100 Jahre (mehr dazu im Atlas des Schweizerischen Nationalparks 2013, S. 214)
Temperaturanomalien_1917-2022

Im Abflussverhalten der Ova dal Fuorn und Ova da Cluozza zeigt sich, dass die beiden zurückliegenden Jahrzehnte (1993-2012) ein anderes Abflussverhalten aufweisen als die ersten drei gemessenen Jahrzehnte (1963-1992):  Der Monatsabflusss im Mai hat um rund 0,3 m3/s zugenommen, jener im Juni ist um rund 0.4 m3/s zurückgegangen (also tendenziell früherer Abfluss, v.a. in der Ova dal Fuorn). Der Monatsabfluss von Juni–August/September nahm in den beiden letzten Jahrzehnten um 0.1-0.3 m3/s ab. Zudem nahm die Zahl der Jahre mit einem erhöhten Monatsabfluss im Oktober zu. (Wissen schaffen 2014, S. 289-290).

Sämtliche Gletscher im Parkgebiet sind im Verlauf der vergangenen 100 Jahre verschwunden. Der Permafrost taut an vielen Stellen auf. Exemplarisch dokumentiert ist dies bei der Klimastation am Munt Chavagl, die mit Messfühlern in verschiedenen Tiefen ausgerüstet ist. Hier werden auch die Bewegungsraten von Erdströmen erfasst. Hier liegt die längste kontinuierliche Messreihe über Solifluktion in den Alpen vor. (Rist et al. in: Atlas des Schweizerischen Nationalparks, 2013)

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Der Blockgletscher Val Sassa wird bereits seit 1919 untersucht. Während in den 1950er-Jahren Bewegungsbeträge von 50 cm/Jahr gemessen wurden, sind es heute nur noch wenige cm/Jahr. Einzelne Messpunkte haben sich von 2006–2016 um bis zu einen Meter gesenkt. Dies deutet auf abklingenden Permafrost im Untergrund hin. (Cratschla 1/2012)

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Klimatische Faktoren haben einen entscheidenden Einfluss auf die Verbreitung von Pflanzen und Tieren. Heute zeigen sich bereits bei vielen Vogelarten Tendenzen in der Entwicklung der Verbreitung und/oder der Bestände, die entsprechend der Erwartungen aufgrund der Klimaveränderungen verlaufen (Bericht Zustand der Vogelwelt 2016). Mit der Bereitstellung des Swiss Bird Index SBI Climate Change soll eine übersichtliche Zusammenfassung für Politiker und Behörden und eine auch für ein Laienpublikum leicht verständliche Darstellung dieser Situation geschaffen werden.  (Schweizerische Vogelwarte Sempach)

Die Alpenschneehühner sind seit den 1990er Jahren durchschnittlich 120 m weiter oben zu finden.  (Atlas des Schweizerischen Nationalparks, 2013, S. 138) Mitteilung Vogelwarte.

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Für den Schneehasen ist der Klimawandel ein Problem, da sein Lebensraum kleiner wird und die Vernetzung einzelner Populationen abnimmt. Modellrechnungen für den Alpenraum prognostizieren einen durchschnittlichen Lebensraumverlust von 35% bis ins Jahr 2100. Der Rückzug des Schneehasen in höhere Lagen dürfte zu einem Bestandsrückgang führen. (Rehnus in Cratschla 2/2016)

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Steingeissen:
Die Steingeissen äsen heute im Sommer höher oben als noch vor 20 Jahren. Dies ist auf höhere Frühlingstemperaturen mit früherer Ausaperung zurückzuführen. (Hverfindal in: Cratschla 3/2013). Drei der häufigsten Huftierarten der Alpen – Gämse, Steinbock und Rothirsch – haben mit dem Klimawandel ihre Aufenthaltsorte im Spätsommer/Herbst in grössere Höhen verlagert. Dies hat ein internationales Forscherteam unter Leitung der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL nachgewiesen. Hier geht’s zur Zusammenfassung.
Weiteres im Beitrag in der Coopzeitung vom 5. Oktober 2021.

Schmetterlinge:
Die Schmetterlingsfauna im SNP wurde von 1920–1942 von Pictet dokumentiert. Neue Untersuchungen der Universität Lausanne (Cherix et al.) zeigen, dass z.B. der Rote Würfel-Dickkopffalter (Spialia sertorius) im Jahr 1942 auf maximal 1500 m ü.M. lebt, heute hingegen auf 2020 m. (Cherix 2017, Ausstellung Alpen und Hoher Norden)

Roesels Beissschrecke:
Die Roesels Beissschrecke tritt neuerdings auch im Bereich der Alp Stabelchod auf, wo sie in den 1950er Jahren nie dokumentiert wurde. Diese Art profitiert von der Klimaerwärmung. (Schütz et al. in: Atlas des Schweizerischen Nationalparks 2013, S. 108)

Gefleckte Schnirkelschnecke:
Die höchstgelegenen Populationen der gefleckten Schnirkelschnecke befinden sich heute 146 m höher oben als vor 100 Jahren (Aufnahmen Bütikofer 1916).
→ Detaillierte Informationen (Baur in: Cratschla 2/2013)

Alpen-Smaragdlibelle:
Sie kommt auf der Seenplatte von Macun (2628 m ü.M.) in Weltrekordhöhe vor (Ilg et al. in: Cratschla 2/2013)

Tausendfüssler:
In den letzten 100 Jahren haben die Tausendfüssler ihr Verbreitungsgebeit um rund 160 Höhenmeter nach oben verschoben.

Fiederzwenken-Kolonien:
Werden im SNP seit 1936 unter anderem auf der Alp Stabelchod auf 1950 m dokumentiert. Mittlerweile liegen die höchsten Fundorte in der Nationalparkregion bereits auf über 2300 m. Die Pflanze konkurrenziert unter anderem Futterpflanzen der Rothirsche. Simulation Ausbreitung auf Alp Stabelchod (Krüsi in: Atlas des Schweizerischen Nationaparks 2013, S. 94)

Auf ausgewählten Gipfeln des Schweizerischen Nationalparks wurden bereits vor 100 Jahren die Anzahl Pflanzenarten erfasst. Eine erneute Inventur zeigt dass die Artenzahl in der Zwischenzeit um durchschnittlich 44 Prozent zugenommen hat. Das Gipfelmonitoring seit 2002 des Projekts GLORIA zeigt, dass dieser Trend vor allem darauf beruht, dass mit der Klimaerwärmung mehr Pflanzenarten in grössere Höhen vordringen können (Wipf in: Cratschla 2/2013 und Cratschla 1/2016)

Seit 1994 werden im SNP systematisch phänologische Daten erfasst (Blattentfaltung, Blüte, Fruchtreife, Blattfall). Daraus können Veränderungen der Vegeationsperiode abgeleitet werden. Simulation Vegetationsperiode der Lärche. (Defila in: Atlas des Schweizerischen Nationalparks 2013, S. 200)

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